Neues Ehrenmitglied 2025
PD Dr. Franziska Tanneberger
Laudatio
Rheingold-Halle Mainz, 27. Oktober 2024. Verleihung des Deutschen Umweltpreises durch Bundespräsident Steinmeier. Im vollbesetzten Auditorium erscheint auf der riesigen Leinwand: ein Seggenrohrsänger. Das nur 12 cm kleine Vögelchen bekommt rauschenden Beifall. Wie ist das möglich?
Franziska Tanneberger macht es möglich. Mit wenigen Sätzen schlägt sie eine Brücke von ornithologischer Spitzenforschung zu den großen Fragen von Klimaschutz, Moorschutz und gesellschaftlicher Transformation – und fasst damit ihr Wirken zusammen. Der Deutsche Umweltpreis, den sie erhält, ist der höchstdotierte Umweltpreis Europas.
Franziska studierte Landschaftsökologie und Naturschutz in Greifswald, geprägt von Michael Succow. Eine Empfehlung von Norbert Schäff er weckte den Wunsch, ein Praktikum in Weißrussland zu absolvieren – damals ein kaum bereistes Land, aber ein Land der Moore. Dort lernte sie den global gefährdeten Seggenrohrsänger als Ikone des Naturschutzes kennen und wurde bald Mitglied des BirdLife International Aquatic Warbler Conservation Teams, dessen Projekte mehrfach durch die DOG gefördert wurden. 2003 fertigte sie ihre moorökologische Diplomarbeit in Westsibirien an, ihre Dissertation über die pommersche Population des Seggenrohrsängers wurde 2011 mit dem UNEP/CMS Thesis Award ausgezeichnet.
Zielstrebig verfolgte sie ihren Weg weiter: Als Ko-Leiterin des Greifswald Moor Centrums gelang es ihr, Moor- und Klimaforschung auf höchster politischer Ebene zu platzieren – etwa im Zukunftsrat Mecklenburg-Vorpommern oder im Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. Für das Global Peatland Assessment der UN war sie Ko-Autorin für Europa, 2023 habilitierte sie über Biodiversität und Ökosystemleistungen wiedervernässter Moore. Ihre zahlreichen Publikationen – vom Aquatic Warbler Conservation Handbook bis zu Fach- und Sachbüchern über Moore – verbinden wissenschaftliche Tiefe mit gesellschaftlicher Relevanz. Ehrenamtlich engagiert sie sich zudem in den Kuratorien mehrerer großer Stiftungen wie der Umweltstiftung Michael Otto und der Naturstiftung David.
Ihre wissenschaftliche Arbeit ist eindrucksvoll, aber ebenso ihr Engagement in der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft. Acht Jahre lang war sie als Schriftführerin Mitglied des Vorstands. Ihre Protokolle – akribisch, präzise, in Rekordzeit vorgelegt – setzten Maßstäbe und erleichterten die Arbeit der Gesellschaft erheblich. Darüber hinaus prägte sie die DOG mit wertvollen Impulsen: Sie brachte Ideen für die Förderung junger Ornitholog:innen ein, stärkte die internationale Sichtbarkeit der Gesellschaft und setzte sich mit Nachdruck für ein Stipendienprogramm für ukrainische Ornitholog:innen ein – ein Zeichen gelebter Solidarität und europäischer Verantwortung.
Die Verbindung von Moorökologie, Klimaschutz und ornithologischer Forschung war für Franziska nie ein Gegensatz, sondern Herzensanliegen. Sie betont, dass Biodiversitätserhalt noch komplexer als Klimaschutz sei – und dass ornithologische Forschung eine Schlüsselrolle dabei spielt.
Die Deutsche Ornithologische Gesellschaft ehrt heute mit der Verleihung der Ehrenmitgliedschaft eine Wissenschaftlerin, die unser Fachgebiet in einen größeren ökologischen und gesellschaftlichen Kontext stellt und damit die Zukunft der Ornithologie maßgeblich mitgestaltet. Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch!
Erfurt, den 19. September 2025
Dr. Dorit Visbeck-Liebers
Präsidentin
Dr. Martin Flade
Laudatorin